»Wo auch immer wir wohnen
unser Glück auf dem Frieden beruht.«
heißt es im Weltjugendlied.
Diese Ausstellung will ein Zeichen der Hoffnung setzen, dass ein friedliches Miteinander unter den Völkern möglich ist, weil wir im Alltag die gleichen Sorgen haben, uns über die gleichen Sachen freuen. Uns verbindet Musik, auch die Fotografie, die Solidarität, »… uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut.«
Die herrschende Rüstungsindustrie wird immer neue Begründungen ersinnen, uns belügen und neue Krisenherde schüren, um ihre ausgeklügelten Waffen einsetzen zu können. Kriege weltweit, treiben immer größere Flüchtlingsströme auch zu uns. Uns blutet das Herz, wie diese dann hier kriminalisiert werden, damit sie uns fremd bleiben. Wir müssen erkennen, dass uns das gleiche Schicksal treffen kann.
Wut und Trauer, Protest und Hilflosigkeit, Rachegedanken und Angst. Alles verständliche Reaktionen.
Jedoch Solidarität und Verständigung mit Gleichgesinnten muss das Wichtigste bleiben.
Wir dürfen den Traum von der Verwirklichung einer gerechten, friedlichen Welt nicht aufgeben und nicht nachlassen, unser Möglichstes dafür zu tun.
Das Weltjugendlied erklang das erste Mal 1947 bei den ersten Weltfestspielen in Prag. In vielen Sprachen gesungen, mitunter gleichzeitig in verschiedenen, drückte es immer die Hoffnung und den Willen aus, Krieg von der Erde zu verbannen.
Einer der bewegendsten Momente für mich, in denen dieses »Jugend aller Nationen« gesungen wurde, war im April 1999 mitten in Belgrad im Tašmajdanpark. In der Nacht zuvor hatte die NATO den staatlichen RTS-Sender mit Bomben zerstört
und 16 Mitarbeiter ermordet. Wir waren mit einem Friedenskonvoi dorthin gekommen und gemeinsam mit den Einwohnern der Stadt und griechischen Kriegsgegnern sangen wir dieses Lied und lagen uns in den Armen. Trotz alledem!
»Trotzdem bedeutet nur standzuhalten, das Weiterleben auf sich zu nehmen. Den nächsten Schritt zu tun. Und dieses ›nur‹ ist letztlich alles.
Weil es uns das Wissen von Leben und die Befähigung für das Leben zurückgibt.« Ein Text von Erika Pluhar 2005 und auch das Lied von ihr:
Trotzdem
Trotzdem kämpfen wir,
Trotzdem glauben wir,
Trotzdem lieben wir… Trotzdem!
Freude und Ermutigung durch das Betrachten der Fotografien wünscht
Gabriele Senft Berlin, 07. Oktober 2014
»Wherever we live
our happiness is based on peace.«
(from the German text of the »March of the Democratic Youth«)
This exhibition wants to light a beacon of hope that a peaceful togetherness of the peoples is possible, because we share the same daily sorrows, rejoice over the same things. Music connects us, photography also, and solidarity, »… uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut.« – »… united by the same convictions, the same courage.«
The ruling armament industry will think up ever new reasons, will lie to us and stir up trouble spots to put their sophisticated weapons to use. Wars around the world drive more and bigger streams of refugees also to us. Our hearts bleed as they are then criminalized here so that they remain alien to us. We have to realize that we can meet the same fate.
Anger and grief, protest and helplessness, thoughts of revenge and fear – all are understandable reactions.
However, solidarity and understanding with like-minded people must remain the most important thing.
We must not give up the dream of the realization of a just, peaceful world and not let up doing our utmost for it.
The »March of the Democratic Youth« (Weltjugendlied) rang out for the first time in 1947 at the first World Festival in Prague. Sung in many languages, sometimes simultaneously in several of them, it always expressed the hope and the will to banish war from the earth.
For me one of the most moving moments when this »youth of all nations« was sung was
in April 1999 in the heart of Belgrade in Tašmajdanpark. The night before NATO had destroyed the RTS public service broadcaster with bombs and murdered 16 people. We had come there with a peace convoy and together with the inhabitants of the city and Greek war opponents we sang this song and lay in each others arms. Despite all this! (Trotz alledem!)
»›Despite all this‹ only means to withstand, to undertake the living-on. To take the next step. And this ›only‹ ultimately is everything.
Because it restores the knowledge of life and the ability for life.«
A text by Erika Pluhar 2005 and also her song:
Despite all this
Despite all this we fight,
Despite all this we believe,
Despite all this we love… Despite all this!
Rekonstruktion meiner frei gesprochenen Worte zur Eröffnung der Fotoausstellung „wo auch immer wir wohnen“ – und was ich noch gern gesagt hätte am 07.10.2014 im Café Sibylle:
„Es ist kein Zufall, sie heute, am 7. Oktober zu eröffnen, wo bis vor 25 Jahren der Tag der Republik gefeiert wurde; ich wollte heute etwas tun und mit Freunden zusammen sein, die wie ich diesen Text des Weltjugendliedes wachhalten – ‚wo auch immer wir wohnen, unser Glück auf dem Frieden beruht‘. Heute müssen wir wieder daran erinnern, denn es scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein. Und es können darum einige meiner Freunde nicht hier sein, weil auch sie an diesem heutigen Tag aktiv sein wollen und es deshalb allein in Berlin mehrere Veranstaltungen gibt. Diese Ausstellung hat mehr als sonst mit mir selbst zu tun und angesichts der aktuellen Lage auch ein paar Worte: Ich hab nicht in einem luftleeren Raum in der DDR gelebt und ich steh dazu, und habe nicht vergessen und nicht verdrängt, wie ich dort gelebt habe. In der „jW“ ist der Beitrag aus einer Luxemburger Zeitung abgedruckt und in ihm fand ich mich wieder, er spricht mehr Wahrheiten aus als alles, was ich zurzeit sonst in den Medien lese oder sehe, Entschuldigungen, dass es die DDR gab, Erklärungen, Verurteilungen oder Trotz. Aber ich bin dort aufgewachsen mit meinen Geschwistern, die heute hier sind wie auch meine beiden Söhne. Meine Eltern fingen ihren Beruf als Neulehrer an und sie haben dafür gesorgt, dass keinerlei Nazigedankengut mehr in der Schule geduldet wurde. Sie arbeiteten und diskutierten und waren rund um die Uhr im Einsatz für ihre Schüler und für diesen neuen sozialistischen Staat, so dass mein Bruder von uns, den beiden Schwestern, mal kategorisch verlangte, wir sollte ja nicht auch diesen so aufreibenden Lehrerberuf wählen – meine Schwester wagte es trotzdem, mein Bruder studierte Landwirtschaft und ich hielt das alles mit der Kamera fest.
Die Zusammenstellung der Fotos in dieser Präsentation hat mit meiner jetzigen Befindlichkeit zu tun. Ich fotografierte seit der Wende bei zahlreichen Protestdemonstrationen, ich war seit 1999 viel in Serbien, um die Situation nach dem NATO Angriffskrieg zu erfassen und die Entwicklungen seitdem zu begleiten, ich war 2003 im Irak mit einer Friedensdelegation…und begleitete einige Zeit sehr aktiv die Flüchtlingsbewegung.
Seit einigen Monaten war ich in Gefahr, Ausgeglichenheit und meine Lebensfreude zu verlieren ob dieser ganzen Nachrichten von Kriegen, in die wir gezogen werden, Nachrichten von immer mehr Instabilität weltweit…Terror, Krankheiten, Umweltkatastrophen… darum diese „Trotz alledem Ausstellung“. Ich hab mich hier auf Fotos in Europa konzentriert, auf friedliche Begegnungen in verschiedenen Ländern, die ich privat bereiste, ohne dass ich das Ziel hatte, diese erfassten Momente zu veröffentlichen. Alltag, Menschlichkeit an den verschiedenen Orten möchte ich aufzeigen. Denn überall ist sie in den Menschen, die Sehnsucht nach einem erfüllten friedlichen Alltag, die Freude an den Kindern, bei Feiern, … einfach die Schönheit der Welt erfassen zu können und die Menschlichkeit, aus der wir Kraft schöpfen, die Ermutigung durch freundliches solidarisches Miteinander und helfend etwas für sich selbst zu tun.
Ein ganz aktuelles kleines Beispiel nur von heute. Für den Eingangstext der Ausstellung suchte ich in Köpenick einen copyshop, ich hatte eine Datei auf USB Stick zum Vergrößern auf A3. Es war schwierig, denn der im Internet angegebene nahe der Bahnhofstraße existiert nicht mehr, im Forum hätten sie mir nur eine Kopie von einem kleineren Abzug machen können, naja… Auf der Suche geriet ich in einen winzigen Laden eines Computerfreaks, der unwirsch von seiner Bastelei aufblickte und meine Frage, ob er mir vielleicht so einen Abzug A3 machen könnte, zunächst sofort verneinte. Ich fragte vorsichtig, ob er vielleicht einen copyshop wüsste, er grummelte noch ein bisschen, dann meinte er, „Na geben Sie schon her.“ Und dann gab er sich große Mühe, machte mir statt einem gleich drei Abzüge und wollte kein Geld dafür. Hab ihm gern dennoch was gegeben und er versuchte vergebens, seine Freude zu verstecken.
Für diese Ausstellung versuchte ich in meinen Negativen nach Alltäglichem und weiß nun, dass es sich lohnt, da sogar verblasste wieder ans Licht zu holen und mit einem besseren Scanner neue Möglichkeiten der Bearbeitung auszuprobieren und das kreative Chaos unter den heraus gewühlten Negativtaschen auf sich zu nehmen. Ich kann hier nur einen Teil dieser geborgenen Schätze zeigen.
Belgrad, am 24.04. 1999
Fotos © Gabriele Senft